Im Wintersemester 2015/2016 betreuten wir mit dem Projekt FairSchnitt wieder ein Studienprojekt an der Fakultät für Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Wir stellten an die Studierenden unserer zugelosten Gruppe die Aufgabe, zu erforschen, in welchem Maße und auf welche Art und Weise das Wissen über unwürdige Produktionsbedingungen das Kaufverhalten von Konsument_innen beeinflusst und auf Grundlage ihrer Erkenntnisse Marketingideen für faire Bekleidung zu entwickeln. Die guten Arbeitsergebnisse der Studierenden sorgten für spontanen Applaus in der Abschlusspräsentation.
FairSchnitt reichte einen Auftrag zu Nachhaltigkeit im Konsumverhalten ein. Der erste Teil des Auftrags bestand aus einer Analyse des Konsums von Kleidung unter ethisch-moralischen Aspekten. Warum kaufen wir, obwohl unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind? Wofür steht kaufen? Welche (Marketing) Instrumente setzen Bekleidungshersteller und Einzelhändler ein, um uns zum Kaufen zu beeinflussen? Wie setzt sich der Preis eines Kleidungsstücks zusammen? Welche Unterschiede gibt es zwischen „konventionellen“ und „fairen“ Herstellern? Was bedeutet „fair“ im Bereich Bekleidung? Was ist der Unterschied zwischen Mindestlöhnen und existenzsichernden Löhnen? Und vor allem, was müsste geschehen, damit unser Konsumverhalten nachhaltiger wird?
Der zweite Teil des Auftrags bestand in einer praktischen Aufgabe: Die Studierenden sollten eine kreative Aktion zur Sensibilisierung der Verbraucher in Bezug auf ihr Konsumverhalten von Kleidung veranstalten.
Die Student_innen, die als Gruppe unseren Auftrag bearbeiteten, setzten das Projekt fachlich kompetent und engagiert um. Sie lieferten eine erstklassige Analyse mit zahlreichen Hintergrundinformationen und vielen Beispielen ab, u.a. mit Vergleichen von Marketingstrategien und Preiskalkulationen verschiedener Unternehmen aus dem Billigmode- und Fair-Trade-Bereich. Neben der Analyse von Fachliteratur wurden auch eigene Daten erhoben, um das Konsumverhalten in Deutschland zu untersuchen. Die Student_innen befragten schriftlich 345 Personen und online weitere 563 Personen zu Kaufverhalten, Nachhaltigkeit, Überzeugungen und Gewohnheiten in Bezug auf Kleidung. Sie kommen zu dem Schluss, dass viele Konsumenten gar nichts oder wenig über die Produktionsbedingungen von Kleidung wissen, weshalb sie häufig und gerne zu Billigmode greifen. Für viele Menschen ist der Kleidungskauf ein Hobby, bei dem man aber nicht jedes Mal viel Geld ausgeben kann und so die Billigmarken vorzieht. Manche Konsument_innen dagegen wissen um die Hintergründe von Billigmode und verzichten trotzdem nicht auf sie. Die Studierenden vermuten, dass diese Probleme "zu weit weg" sind und verdrängt werden. Außerdem beeinflussen die Unternehmen ihre Kunden gezielt mit Marketing und Werbung, so dass statt schlechtem Gewissen die Glücksgefühle und die Befriedigung beim Kauf im Vordergrund stehen.
Die Student_innen wollten nach ihrer Analyse besonders auf den Aspekt der Arbeitsbedingungen von Näher_innen in Produktionsländern hinweisen und rückten diese Problematik mit einer Aktion auf dem Campus der HS Niederrhein in den Fokus. Sie bauten einen Arbeitsplatz, wie man ihn in den zahlreichen Nähfabriken in Produktionsländern findet, nach und baten ihre Kommiliton_innen eine kleine "Kostprobe" an der Nähmaschine an. Vorbeikommende Studierende mussten gegen die Uhr arbeiten und unter Druck von umstehenden Leuten so viele Nähte wie möglich nähen. Ein Essen & Trinken-Verbotsschild und ein Schild mit den Arbeitszeiten (7-22 Uhr) verdeutlichten die echten Bedingungen, unter denen vor allem Frauen in Ländern wie Bangladesh und Indien leiden. Neben der kreativen und aufmerksamkeitserregenden Aktion wurde mithilfe einer großen Infotafel über Rana Plaza und die Fair Wear Foundation aufgeklärt.
Am 06.01.2016 war es dann soweit, die Arbeit des 3-monatigen Projektes wurde im Audimax der HS Niederrhein vor Professor_innen, Studierenden und Auftraggeber_innen vorgestellt. Die Student_innen begannen ihren Vortrag auf ungewöhnliche Weise: Sie bildeten eine Kette und zeigten, dass sie auf den T-Shirts unter ihren Strickjacken eine Botschaft versteckt hatten. Jede Studentin hatte einen großen Buchstaben auf ihr T-Shirt genäht, zusammen bildeten sie die Worte RANA PLAZA. Dann drehte sich eine Studentin nach der anderen um und zum Vorschein kamen die Worte NIE MEHR. Die Aufmerksamkeit des Publikums war ihnen nun sicher! Eine Studentin ergriff das Mikrofon und sprach sich gegen die unmenschlichen Bedingungen in vielen Textilfabriken dieser Welt aus - spontan klatschte das Publikum bereits am Anfang der Präsentation. Ein nachfolgender Kurzfilm, der teilweise mit selbst gefilmtem Material entstanden war, stellte die schriftliche Analyse zusätzlich in Bild und Ton dar. Abschließend räumten die Studentinnen noch mit dem Klischee auf, dass faire Mode grundsätzlich langweilig und "öko" daherkommt: sie präsentierten Outfits des Düsseldorfer Ladens "Naturmode Yavana", die von der Inhaberin Margarete Riemer gestellt wurden, mit einer kleinen Modenschau mitten im Audimax. Zusätzlich verteilten sie selbst designte Postkarten, die mit der Frage "Trägst DU fair?" Werbung für das Anliegen der Clean Clothes Campaign machen.
Mit ihrer Abschlusspräsentation schafften die Student_innen es sogar in die Zeitung. Die Rheinische Post Mönchengladbach titelte "Schick und Nachhaltig - das passt zusammen" (Artikel als PDF-Datei) und bestätigte den Student_innen, dass sie mit ihrem Projekt ganze Überzeugungsarbeit geleistet haben. Auch die Dozent_innen, besonders der Betreuer Yordan Kyosev, waren mit ihrer Leistung sehr zufrieden.