Wer könnte besser über die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsproduktion berichten, als Menschen aus den Produktionsländern selbst? Im April und Mai hielten Referent_innen aus Rumänien und Indien – vermittelt durch das Projekt FairSchnitt von FEMNET – insgesamt fünf Vorträge an Modestudiengängen. Corina Adjer berichtete vor Studierenden des Fachs Textil an der Universität Paderborn über Hungerlöhne in Osteuropa und zeigte, dass „Made in Europe“ keinesfalls automatisch „fair hergestellt“ bedeutet. Dr. Anibel Ferus-Comelo und Mary Viyakula klärten im Rahmen der Speakers-Tour von FEMNET an vier Hochschulen bundesweit über das „Camp-Labour-System“ auf – eine Form moderner Sklaverei in Indien.
Im Stich gelassen: Die Armutslöhne der Arbeiterinnen in Kleiderfabriken in Osteuropa und der Türkei“ mitgewirkt. Sie kennt das Leben der Arbeiterinnen in den Nähbetrieben Rumäniens, der Ukraine und Moldawiens gut. Am 26.04.2016 beantwortete sie deshalb die Frage „Made in Europe = hohe Qualität und faire Löhne?“ klar mit „nein“. In Osteuropa werden zum großen Teil Löhne gezahlt, die noch weiter von einem Existenzlohn entfernt sind als in Süd-Ost-Asien.
Der Vortrag fand an der Universität Paderborn im Rahmen des Seminars „Faire Kleidung“ von Prof. Alexandra Kürtz im Fach Textil statt. Rund 20 Studierende – einige aus Lehramtsstudiengängen – und Gäste erfuhren, dass trotz schlechter Arbeitsbedingungen unter anderen Dolce & Gabbana, Gerry Weber, Basler, H&M, Benetton und Inditex (u.a. Zara) dort nähen lassen.
Um die Ausbeutung junger Mädchen in indischen Spinnereien, das „Camp-Labour-System“, ging es in den Vorträgen von Dr. Anibel Ferus-Comelo und Mary Viyakula.
CIVIDEP-India und FEMNET eine aktuelle Studie zum Thema. Mary Viyakula unterstützt mit der Organisation SAVE (Social Awareness and Voluntary Education) vor Ort Betroffene und engagiert sich für eine Abschaffung der Ausbeutungsstrategie. Junge Mädchen aus ländlichen Regionen im Bundesstaat Tamil Nadu werden mit falschen Versprechungen angeworben, in den zahlreichen Baumwollspinnereien zu arbeiten. Vermittler stellen ihnen eine vermeintlich gute Ausbildung, Kost und Logis auf dem Fabrikgelände und zum Ende ihrer drei- bis fünfjährigen Arbeitszeit eine beachtliche Summe Geld in Aussicht. De facto fristen sie – fernab ihrer Familien – ein unerträgliches Dasein hinter Stacheldraht. Sie schuften Tag und Nacht und erhalten zum Schluss einen Lohn, der – gemessen an ihrer Arbeitszeit – nicht einmal dem gesetzlichen Mindestlohn für Auszubildende in Tamil Nadu entspricht. Häufig werden sie auch um Teile dieses Lohns geprellt. Aufgrund der hohen Belastung und sexueller Übergriffe begehen immer wieder Mädchen Selbstmord.
Dr. Anibel Ferus-Comelo erstellte fürAn der Fachhochschule Trier diskutierten rund 50 Studierende und drei Dozent_innen aus dem Fach Modedesign die Frage, was Designer_innen gegen solche massiven Menschenrechtsverletzungen tun könnten. An den Hochschulen Weißensee und Burg Giebichenstein standen bei den angehenden Designer_innen (Modedesign, Textildesign) vor allem Fragen nach wirklichen Alternativen beim eigenen Bekleidungskonsum im Fokus. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin nahmen rund 50 Studierende und Dozent_innen aus den Bereichen Modedesign, Bekleidungstechnik/Konfektion an der Veranstaltung teil. Wie schafft es SAVE, die betroffenen Mädchen zu unterstützen? Wie wichtig ist der kulturelle Faktor „Mitgift“ für das Funktionieren des Systems? Welchen Labels und Siegeln können wir als Konsument_innen trauen? Die Studierenden und Dozent_innen nutzten die Gelegenheit, sich engagiert und detailliert mit dieser essenziellen Verletzung von Menschenrechten in der Bekleidungsbranche auseinanderzusetzen.