Der FEMNET-Expert_innenworkshop ging am 15. April 2016 in die zweite Runde. Dozent_innen verschiedener modebezogener Studiengänge sowie die Multiplikator_innen von FEMNET hatten die Gelegenheit, aktuelle Entwicklungen im Thema „faire Produktionsbedingungen in der Bekleidungsindustrie“ zu diskutieren.
Fachreferent_innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gaben mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen inhaltliche Inputs. In diesem Jahr stand die Fachtagung unter dem Thema „Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie: Sind Siegel eine Lösung?“
Bereits im Vorjahr hatten Dozent_innen verschiedener modebezogener Studiengänge sowie Multiplikator_innen von FEMNET die Gelegenheit, beim 1. FEMNET_Expert_innenworkshop aktuelle Entwicklungen im Thema „faire Produktionsbedingungen in der Bekleidungsindustrie“ zu diskutieren.
Die hohe Fachkompetenz der Teilnehmenden ermöglichte einen regen Austausch mit inhaltlicher Tiefe: Sechs Dozent_innen verschiedener modebezogener Studiengänge und Hochschulen – von Hamburg über Mönchengladbach bis Reutlingen – und Fachbereiche – von Qualitätsmanagement über Modedesign bis zu Modetheorie –nahmen teil. Die 14 Multiplikator_innen von FEMNET – von der aktiven Modedesignerin über die Sozialunternehmerin mit eigenem Bekleidungslabel bis hin zur Erwachsenenbildnerin im Bereich Globales Lernen – brachten ihre Erfahrungen aus der Praxis der Bekleidungsunternehmen sowie ihrer Bildungsarbeit ein. Mit den Mitarbeiter_innen von FEMNET und den anwesenden Vertreter_innen von weiteren NGOs und Standardorganisationen umfasste die Workshopgruppe insgesamt 32 Personen.
Zum Auftakt gab es eine lebhafte Debatte über den Stand nachhaltiger Themen in der Lehre der modebezogenen Studiengänge. Es wurde deutlich, dass soziale und ökologische Herausforderungen nur dort im Studium vorkommen, wo einzelne Lehrende diese Aspekte mit großem Engagement einbringen. Sowohl Studierende (FEMNET-Praktikant_innen) als auch Lehrende nehmen jedoch eine wachsende Nachfrage der Studierenden und auch wirtschaftlicher Akteure wahr.
Im Anschluss stand dann das Thema „Sozialstandards in Produktsiegeln“ im Fokus. Claudia Kersten, Repräsentantin des Global Organic Textile Standard (GOTS) in Deutschland, stellte gemeinsam mit ihrer Kollegin Lina Pfeifer die Arbeitsweise von GOTS vor. Wie wird der Standard erarbeitet und stetig überarbeitet? Welche Kriterien müssen Hersteller einhalten, damit ein Produkt am Ende GOTS-zertifiziert wird? Besonders im Fokus standen die Sozialkriterien, die GOTS anlegt, sowie deren Überprüfung.
Kritische Ergebnisse liefert hierzu eine Studie des Südwind-Instituts, die in einer Stichprobe Arbeitsbedingungen in GOTS-zertifizierten Baumwoll-Entkernungsfabriken – den Cotton Ginneries – untersucht. Dr. Sabine Ferenschild stellte die zentralen Ergebnisse aus „Harte Arbeit für weiche Fasern“ (PDF-Datei) sowie einer Follow-Up-Studie vor. In der Studie zeigte sich, dass die durchgeführten Audits zu kurz griffen und das Auditpersonal für Sozialbelange zu wenig geschult war. Gemeinsam mit Südwind und indischen NGOs organisierte GOTS daraufhin Schulungen für Auditor_innen. Weiteren Handlungsbedarf erörterten wir im Plenum.
Rossitza Krüger, Textilmanagerin bei Fairtrade International (FLO), stellte den neuen Fairtrade-Textilstandard vor. Bisher ist der Fairtrade-Cotton-Standard auf dem Markt. Fairtrade hat sich jedoch zum Ziel gesetzt, einen Standard für entlang der gesamten textilen Kette fair produzierte Bekleidung zu entwickeln – und hat diesen im März 2016 veröffentlicht. Mitte 2016 soll er in Kraft treten. Die Herausforderung liegt darin, Brands zu finden, die den Standard umsetzen wollen. Sehr weit geht der Standard darin, dass er einen verbindlichen Zeitplan für die Zahlung von Existenzlöhnen einfordert. Die Clean Clothes Campaign hat Kritik an dem neuen Standard formuliert, die Dr. Gisela Burckhardt mit in die Diskussion einbrachte.
Zu kurz kam die abschließende Diskussion: Sind Produktsiegel generell dazu geeignet, würdige Arbeitsbedingungen in der gesamten textilen Kette zu gewährleisten? Auch die Vertreter_innen der Produktsiegel-Organisationen stimmten zu, dass Produktsiegel nur EINEN Beitrag dazu leisten können. Interessant war die Anregung, dass auch die Universitäten in den Produktionsländern Studiengänge etablieren sollten, um zukünftige Verantwortliche vor Ort mit Kompetenzen für nachhaltigeres Handeln auszustatten. Vielleicht können deutsche Hochschulen hier über Hochschulpartnerschaften wirksam werden?
Der Workshop wurde von allen Teilnehmenden als interessant und sinnvoll bewertet, besonders da so viele unterschiedliche Gesichtspunkte des Themas erörtert wurden.